Baufortschritt in der Schachtrupp-Villa Osterode

Informationen von der Baustelle

Viele Osteroder Bürger verbinden emotionale Erinnerungen mit der Schachtrupp-Villa. Denn sie ist nicht nur ein Wahrzeichen im Stadtbild, sondern ist durch ihre vielseitige Nutzung zum Teil des öffentlichen Lebens geworden. So waren in den vergangenen Jahrzehnten die Touristinformation, das Verkehrsamt, eine Seniorentagesstätte und ein Kulturverein hier angesiedelt. Viele haben den Jugendraum genutzt, ihre Schulabschlussfotos auf den Treppen zum Eingang gemacht oder sind zeitweise sogar hier zum Unterricht gegangen.

Derzeit wird das Gebäude umfassend saniert und für seine Zukunft als Standort der Stadtbücherei und für die kulturelle Nutzung instandgesetzt. Dazu wurde es zunächst mit einem gewaltigen Gerüst sowie einem großen Wellblechdach eingehaust, denn auch am Dachstuhl muss gearbeitet werden und das Dach wird neu eingedeckt. Inzwischen wird hinter den Planen im Inneren des Gebäudes auf allen Etagen gearbeitet.

Aufwendige Vorplanung

Für die öffentliche Nutzung als Bibliothek und Veranstaltungsstätte mussten zunächst umfangreiche Voruntersuchungen, Planungen und Abstimmungen mit Denkmalpflege und Brandschutz erfolgen. Denn das Denkmal, das ursprünglich als Industriellenvilla errichtet wurde, ist als klassizistisches Fachwerkgebäude mit der harztypischen Querverbretterung auf einem Natursteinsockel errichtet worden und soll, so weit es geht, möglichst original erhalten oder wiederhergestellt werden. Es muss zugleich den Vorschriften entsprechen, die für ein öffentliches Gebäude mit vielen Besuchern aus Brandschutzgründen gelten.

Die Bauarbeiten dauern inzwischen seit eineinhalb Jahren an. Zunächst wurden alle Einbauten und Zwischenwände beseitigt, die über die fast 200 Jahre seit der Erbauung der Villa durch viele Umnutzungen entstanden sind, um die darunterliegende Substanz freizulegen und auf mögliche Schäden zu untersuchen.

Überraschungen auf der Baustelle

Dabei sind einige Überraschungen zutage getreten, wie etwa ein Tunnel, handgemalte Tapeten, nistende Amseln, Botschaften von Handwerkern der letzten 200 Jahre und unschöne Überraschungen, wie Hausschwamm und Fraßkäfer. „Wir sind sehr zufrieden mit der professionellen Betreuung durch unser Planungsbüro, bow Ingenieure aus Braunschweig, die mit Herzblut und viel Erfahrung für die Planung und die Bauleitung verantwortliche sind und immer wieder nach guten Lösungen für Unvorhergesehenes suchen,“ sagt Mark Zinnecker, städtischer Architekt.

Im Keller wurde ein Gewölbetunnel entdeckt, dessen ursprüngliche Nutzung auch nach einer erfolgten archäologischen Untersuchung nicht eindeutig geklärt werden konnte. Durch einen Schacht war er erreichbar und verläuft unterm Boden westlich aus dem Gebäude heraus in Richtung des heutigen Parkplatzes, ist aber nach etwa 10 Metern eingestürzt. Naheliegend wäre, dass er einmal als Verbindungstunnel zu den bis 1971 existierenden Nebengebäuden diente.

Derzeit wird im Keller kräftig gesägt, gehämmert und allerhand Staub produziert. Es entstehen dort der barrierefreie Zugang zur Bibliothek, der Schacht zu Fahrstuhl und Haupt-Treppenhaus sowie einige Räume der späteren Bibliothek, Toiletten und optimierte Rettungswege. Im aufgebrochenen Boden werden die Versorgungleitungen verlegt.

Handgemalte Tapeten

Im darüber liegenden Hochparterre und dem Obergeschoss sind beim Abtragen von eingebauten Zwischenwänden und abgehängten Decken Reste von handbemalten Makulaturtapeten entdeckt worden. Sie wurden zunächst von einer Restauratorin untersucht und werden nun an einigen Stellen, so gut wie möglich, rekonstruiert, ausgebessert und konserviert. Ziel ist es, diese Reste später als Sichtfenster in die Vergangenheit sichtbar zu machen und den Rest des Raumes im Farbton einer der Grundfarben der Malerei zu gestalten. Zu erkennen sind Teile gemalter Säulen, Kassetten, Blumenmuster, Ranken, Bordüre und Decken-Rosetten in unterschiedlichen Farben – ein Zeugnis der Anlehnung der Innengestaltung an den Palladio-Stil in der Renaissance Oberitaliens.

Bereits bekannt waren die aufwendigen Malereien im Großen Festsaal. Dort ist nach einigen Wochen Arbeit durch ein Team von Restauratoren nun der halbe Saal fertig überarbeitet. In der zweiten Hälfte musste zuerst der Echte Hausschwamm, der sich in einer Ecke des Raumes eingenistet hatte, durch eine thermische Behandlung abgetötet werden. Danach kann die Restaurierung auch hier fortgeführt werden. Dazu werden Löcher verschlossen, Teile der Tapete hinterspritzt und herunterhängende Tapetenteile wieder an der Decke fixiert – eine sehr filigrane Arbeit, die ein großes Maß an Geduld, Fingerspitzengefühl und Erfahrung erfordert. Die Untersuchung der verwendeten Farben hat ergeben, dass ihnen das Bleiweiß beigemischt ist – ein Produkt der Fabrikantenfamilie Schachtrupp, die die Villa einst erbauen ließ. Die Verwendung des Bleiweiß erzeugt einen besonderen Glanz der Ornamente, die dadurch einen hohen plastischen Effekt erzielen. Danach wird auch das historische Parkett des Festsaales aufgearbeitet und versiegelt.

Weitere interessante Details

Zur Erbauungszeit wurden die Räume mit Öfen beheizt, die durch kleine Türen im Treppenhaus von hinten befeuert werden konnten. Die Nischen kann man heute noch sehen. Auch sind die Klappen im Treppenhaus erhalten.

Um den Dachstuhl erreichen zu können, wird eine neue Stahlspindeltreppe und ein Kleingüteraufzug eingebaut, damit der Dachraum der Bibliothek als Lager dienen kann. Das Dach muss ganz neu mit Schiefer gedeckt werden – die alten Ziegel sind schon entfernt. Auch sind einige Maßnahmen nötig, um Fehler der Vergangenheit auszumerzen. So wurden beispielsweise in Höhe des großen lünetteförmigen Fensters im Dachstuhl Sparren abgesägt, um den Raum zu vergrößern. Das stellt allerdings eine Gefahr für die Statik dar und muss daher wiederhergestellt werden. Die Villa zeugt auch hier oben von ihrer wechselhaften Geschichte: An den Innenwänden im Dachstuhl haben sich Generationen von Handwerkern mit ihrer Unterschrift, Zeichnungen und Daten verewigt. Durch die derzeit offenen Fenster fliegt eine Amselfamilie ein und aus.

In der Mitte des Daches findet sich ein Quadratischer Dachaufsatz, der durch seine Fenster das große Wendeltreppen-Haus wie ein Oberlicht mit Tageslicht beleuchtet.

Wenn alle Arbeiten nach Plan verlaufen, wird mit einer Fertigstellung und Wiedereröffnung der Villa bis Mitte oder Ende 2024 gerechnet. Dann kann die Bibliothek einziehen, die nach einem modernen Nutzungskonzept eingerichtet wird, das neben Leseräumen und Zeitschriftenmagazin auch eine Familienbibliothek, eine Gaming Lounge, ein Lesecafé und Platz für Veranstaltungen, Lesungen und andere kulturelle Veranstaltungen bietet und damit den Osteroder Bürgern wieder für neue Erlebnisse offensteht.


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