Marktstraße | Duderstadt

In direkter Nachbarschaft zur Basilika St. Cyriakus in Duderstadt steht mit der Adresse Marktstraße 88 das sogenannte Gerodesche Haus. Hierbei handelt es sich um ein dreigeschossiges, freistehendes Fachwerkgebäude mit Walmdach und dreigeschossigem, abgestuftem Zwerchhaus nach Norden. Das bereits schon vorhandene Gebäude wurde 1629 vom Abt des Klosters Gerode gekauft und in den Folgejahren als Stadt- und Gästehaus genutzt. Im 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts erfolgten bauliche Veränderungen, die zum heutigen Erscheinungsbild mit aufgesetztem Zwerchhaus führten. Das Gebäude ist im 19. Jh. Geburtshaus des Dichters und Orientalisten Karl Macke (1849-1915). Zwischenzeitlich diente es den Bürgern als Stadtbibliothek, bis diese 2008 in das sanierte historische Rathaus umzog. Seither stand das Haus viele Jahre leer. Seit 2020 erstrahlt es, nach einer umfangreichen Sanierung, in neuem Glanz und mit neuer Nutzung.

Rettung der Westfassade

„Die Westfassade und Wetterseite war ursprünglich mit einem Schieferbehang errichtet worden, um sie vor Wind und Wetter zu schützen. Diesen Behang hatte man irgendwann entfernt, um das darunterliegende Fachwerk sichtbar zu machen,“ erläutert Architekt Michael Schmutzer. „Diese Freilegung hat der Fassade sehr geschadet. Etwa 50 Prozent der Balken und auch der Balkenköpfe der hier austretenden Deckenbalken waren so beschädigt, dass das Gebäude sogar als einsturzgefährdet eingestuft wurde.“ So war zunächst die wichtigste Aufgabe diese Wand nach innen hin abzustützen, die schadhaften Balken herauszulösen und zu ersetzen. Auch die Deckenbalken wurden zum Teil bis etwa 2 Meter ins Gebäude hinein abgetrennt und durch neue Balken, die an die alten angeschient wurden, ersetzt. Im Zuge des Außenanstrichs erhielt die Westfassade auch wieder den historisch belegten Schieferbehang (siehe historisches Wandfoto in der Fotogalerie).

Wiederherstellung des historischen Grundrisses

Im Zuge der Holzschwellensanierung in der Nordfassade wurde mittig unter dem Zwerchhaus der hier ursprünglich vorhandene Haupteingang durch bodentiefe Fensterelemente angedeutet. Ein früherer Nebeneingang in der Westfassade wird seit Jahrzehnten als Haupteingang genutzt. „Im Gebäude-Inneren war es uns wichtig, den ursprünglichen Grundriss wieder erlebbar zu machen. Die Räume waren nämlich in einer Kreuzform angelegt worden, die wir wieder hergestellt haben,“ erklärt Schmutzer das Sanierungskonzept. „Dafür haben wir einige Einbauten aus Beton und ein zweites Treppenhaus rückgebaut. Die abgehängten Decken wurden entfernt und die Deckenbalken wieder sichtbar gemacht. Dadurch entdeckten wir auch die Ursprungsküche aufgrund der verrusten Deckenfelder und -balken.“

Als Maßnahmen der energetischen Sanierung ersetzten Fachfirmen die Fenster durch neue Holzfenster, die nach historischem Vorbild und in Einzelanfertigung hergestellt wurden. Als Innendämmung wurde ein Kalkdämmputz aufgetragen. Auch Heizung, Sanitär, Elektrik und Strom wurden in diesem Zuge erneuert. Da das Gebäude im Sanierungsgebiet liegt, konnten vom Eigentümer Städtebaufördermittel in Anspruch genommen werden.

Junge Menschen in historischen Mauern

Heute tummeln sich im Erdgeschoss und im Garten die Kinder einer Kindertagesstätte. Darüber liegen im ersten Obergeschoss Büroräume und im zweiten Stock wurden vier Mikro-Apartments für junge Menschen eingerichtet. Zwei darüberliegende Dachbodengeschosse, die wegen ihrer Besonderheiten im Geschossbau unter Einzeldenkmalschutz stehen, blieben unverändert. Die aus Resten des historischen Hauptportals bestehende marode Haustür wurde durch eine moderne Sicherheitstür nach historischem Vorbild ersetzt, findet sich aber als Dekoration im Inneren des Gebäudes wieder, ebenso wie mehrere große Wandfotos mit historischen Aufnahmen. Im Treppenhaus konnten historische Deckengemälde freigelegt werden. So verbindet sich in der Marktstraße 88 die zeitgemäße Nutzung harmonisch mit der historischen Substanz.

Steckbrief

  • Sanierungszeit: ca. 1,5 Jahre
  • Wohn- und Nutzfläche: ca. 170-180 qm pro Etage
  • Sanierungsmaßnahmen: Ersetzen sanierungsbedürftiger Fassadenteile, Rückbau zum historischen Grundriss, Innendämmung, neue Holzfenster, technische Gewerke
  • Fördermittel / Steuererleichterung: Städtebaufördermittel

Vorher / Nachher

Im Erdgeschoss der letztlich untergebrachten Stadtbibliothek wird heute in einer Kindertagesstätte gespielt. Die bodentiefen Holzfenster zitieren den ehem. Haupteingang. // Foto vorher © Architekturbüro Michael Schmutzer; Foto nachher © Iris BlankIm Erdgeschoss der letztlich untergebrachten Stadtbibliothek wird heute in einer Kindertagesstätte gespielt. Die bodentiefen Holzfenster zitieren den ehem. Haupteingang. // Foto vorher © Architekturbüro Michael Schmutzer; Foto nachher © Iris Blank

Im Erdgeschoss der letztlich untergebrachten Stadtbibliothek wird heute in einer Kindertagesstätte gespielt. Die bodentiefen Holzfenster zitieren den ehem. Haupteingang. // Foto vorher © Architekturbüro Michael Schmutzer; Foto nachher © Iris Blank

Der neue, sichtbare Lehmputz trägt zum guten Raumklima der heutigen Büroräume im 1.OG bei. Zuvor standen hier Bücher der Stadtbibliothek. // Foto vorher © Architekturbüro Michael Schmutzer; Foto nachher © Iris BlankDer neue, sichtbare Lehmputz trägt zum guten Raumklima der heutigen Büroräume im 1.OG bei. Zuvor standen hier Bücher der Stadtbibliothek. // Foto vorher © Architekturbüro Michael Schmutzer; Foto nachher © Iris Blank

Der neue, sichtbare Lehmputz trägt zum guten Raumklima der heutigen Büroräume im 1.OG bei. Zuvor standen hier Bücher der Stadtbibliothek. // Foto vorher © Architekturbüro Michael Schmutzer; Foto nachher © Iris Blank

Die Außenansicht damals und heute, mit Schieferbehang und Klappläden nach historischem Vorbild. // Foto vorher © Archiv; Foto nachher © Architekturbüro Michael SchmutzerDie Außenansicht damals und heute, mit Schieferbehang und Klappläden nach historischem Vorbild. // Foto vorher © Archiv; Foto nachher © Architekturbüro Michael Schmutzer

Die Außenansicht damals und heute, mit Schieferbehang und Klappläden nach historischem Vorbild. // Foto vorher © Archiv; Foto nachher © Architekturbüro Michael Schmutzer

Damals Stadtbibliothek, heute Kindertagesstätte mit großem Ausgang in den Garten. Historische Elemente, wie die Rußdecke, wurden erhalten und konserviert. // Foto vorher © Planungsgruppe Lange; Foto nachher © Iris BlankDamals Stadtbibliothek, heute Kindertagesstätte mit großem Ausgang in den Garten. Historische Elemente, wie die Rußdecke, wurden erhalten und konserviert. // Foto vorher © Planungsgruppe Lange; Foto nachher © Iris Blank

Damals Stadtbibliothek, heute Kindertagesstätte mit großem Ausgang in den Garten. Historische Elemente, wie die Rußdecke, wurden erhalten und konserviert. // Foto vorher © Planungsgruppe Lange; Foto nachher © Iris Blank

Fachwerk wird für die Kinder im EG der Kindertagesstätte durch freigelegte, historische Deckenbalken erlebbar. // Foto vorher © Architekturbüro Michael Schmutzer; Foto nachher © Iris BlankFachwerk wird für die Kinder im EG der Kindertagesstätte durch freigelegte, historische Deckenbalken erlebbar. // Foto vorher © Architekturbüro Michael Schmutzer; Foto nachher © Iris Blank

Fachwerk wird für die Kinder im EG der Kindertagesstätte durch freigelegte, historische Deckenbalken erlebbar. // Foto vorher © Architekturbüro Michael Schmutzer; Foto nachher © Iris Blank

Einst Eingangsbereich der ehem. Stadtbibliothek, heute farbenfroher Eingangsbereich der Kindertagesstätte. Holz, Lehm und mineralische Farben dominieren den Raum. // Foto vorher © Architekturbüro Michael Schmutzer; Foto nachher © Iris BlankEinst Eingangsbereich der ehem. Stadtbibliothek, heute farbenfroher Eingangsbereich der Kindertagesstätte. Holz, Lehm und mineralische Farben dominieren den Raum. // Foto vorher © Architekturbüro Michael Schmutzer; Foto nachher © Iris Blank

Einst Eingangsbereich der ehem. Stadtbibliothek, heute farbenfroher Eingangsbereich der Kindertagesstätte. Holz, Lehm und mineralische Farben dominieren den Raum. // Foto vorher © Architekturbüro Michael Schmutzer; Foto nachher © Iris Blank

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